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Buchrezension „Afrika und die Entstehung der modernen Welt“ , Autor: Howard French



Von Stefan Schaaf


Insgesamt eine sehr einseitige Darstellung dieses Themas. Die gesamte Geschichte der Ausbeutung Afrikas durch den islamischen Raum wird weitgehend unterschlagen. Seit dem 6. Jahrhundert wurden insgesamt bis zu 17 Millionen afrikanische Sklaven in die verschiedenen islamischen Reiche verschleppt, eine unbekannte, weit höhere Zahl von Menschen überlebte den Transport nicht. Natürlich verursachte diese jahrhundertelange intensive, gewalttätige Ausbeutung durch die islamischen Reiche ungeheure Schäden im gesamten afrikanischen Raum. Und natürlich wurde das, was man „die Moderne“ nennt, maßgeblich in Europa entwickelt. Die Bewegungen, die man Renaissance, Humanismus und Aufklärung nennt, fanden ihren Ausgang in Europa, ein frühes Zentrum war Norditalien. Die ersten Universitäten Europas seit der Antike wurden in Salerno und Bologna gegründet (Ende des 11. Jahrhunderts), und zwar weit vor dem Beginn des Kolonialzeitalters, das seinen Anfang zu Beginn des 15. Jahrhunderts nahm. French gelingt es nicht überzeugend darzustellen, warum Afrika angeblich eine gewichtige Rolle bei der Entstehung der Moderne einnehmen soll. Es gab in Europa einen Strang von Ideen, Autoren und deren Werken von der Antike über das Mittelalter bis in die frühe Neuzeit, der nie ganz abgerissen ist. Autoren wie Platon und Aristoteles, neben vielen anderen, wurden das gesamte Mittelalter hindurch gelesen und deren Ideen weitergegeben. Afrika nahm an diesem intellektuellen Leben so gut wie nicht teil. Die industrielle Revolution wurde in einigen Staaten Europas durch Kapital beschleunigt, das durch die Sklaverei entstand. Dies trifft aber bei Weitem nicht auf ganz Europa zu, der gesamte Prozess der industriellen Revolution lässt sich so nicht erklären und herleiten. French stellt wiederholt die Behauptung auf, daß ohne die Sklavenhaltung der Aufstieg Europas gar nicht möglich gewesen wäre. Leider blieb es fast immer bei der Behauptung bei fehlender oder sehr fadenscheiniger Begründung. Der afrikanische Beitrag zur Debattenkultur in Europa, weil in den Debattierclubs Tee mit Zucker getrunken wurde, wirkt etwas lächerlich. Genauso, wenn der Umstand, dass in Zuckermühlen verschiedene Arbeiter gleichzeitig verschiedene Arbeiten erledigten, als Vorläufer der industriellen Revolution mit dessen ausgeprägter Arbeitsteilung präsentiert wird. Das Gegenargument, dass der Überseehandel nur einen sehr geringen Anteil am europäischen Handel ausmachte, wird erwähnt, aber French versucht ja noch nicht einmal, dieses Gegenargument mit Zahlen zu widerlegen. So erscheint dieses Buch eher als der Versuch, Afrika nachträglich eine Rolle zuzuschreiben, die es nie eingenommen hat. Hier stand eher eine antiwestliche, antieuropäische Ideologie Pate, wirklich neue Erkenntnisse lassen sich kaum finden. Die epochalen Beiträge Europas zur Weltgeschichte im Zuge von Renaissance, Humanismus und Aufklärung, die schließlich die Moderne hervorbrachten, lassen sich nicht auf die Ausbeutung Afrikas herunterbrechen. Sie haben weit ältere Wurzeln, die zum großen Teil bereits in der Antike angelegt wurden. Klett-Cotta, März 2023 Deutsche Ausgabe, gebunden: ‎ 512 Seiten 35,00 EUR

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